Irgendwann kam der Wunsch in mir auf, Faro's Geburtsort zu besuchen, und nach der "Südwärts-Reise" im April war das "klar wir Kloßbrühe" - "Ich muss dahin." Und ich muss mit diesem Fahrzeug namens THE FORCE dahin - und mit Michi.
Nun ihr wisst, die Pferdenase-Familie ist, nach einem unersetzbaren Verlust, wieder gewachsen und da ist gute Organisation alles. Glücklicherweise haben wir eine so unglaublich schöne, vertrauensvolle und hilfsbereite Stallgemeinschaft, die sich Zuhause um alles kümmert und uns unser Fernweh ausleben lässt. Ihr seit so wunderbare Menschen und wir danken euch vom Herzen.
Natürlich vermissen wir unsere Tiere, aber wir wissen sie in sehr guten Händen.
Nachdem wir den letzten Schultag absolviert haben, ging es direkt nach Zofingen um unseren fahrbaren Untersatz für die nächsten Wochen abzuholen. Ich kannte den Camper, Mercedes - The Force - ja schon von meiner kleinen Reise im April und so war die Übergabe fix gemacht und wir setzten uns in Bewegung. Daheim packten wir die mehr oder weniger vorbereiteten Sachen in den Camper und verstauten diese in den zahlreichen Fächern - später sollten wir feststellen, da wir "zu wenig" dabei hatten, denn es klapperte und rutschte alles noch hin und her😉
Später am Abend setzten wir uns in Richtung Südfrankreich in Bewegung und fuhren bis tief in die Nacht um dann auf einer Ratsstätte zu nächtigen und mit einem Kaffee sowie Pain au Chocolat unsere Reise fortzusetzen.
Zwischenstopp in der Camargue
Es geht nun wieder südwärts und wie es der Zufall so möchte, haben wir für die ersten Tage in Saintes-Marie-de-la-Mer mit Freunden abgemacht. Wie klein ist doch die Welt, aber die halbe Schweiz scheint sich in Südfrankreich zu treffen.
Der Weg führte uns entlang von unzähligen Walnussplantagen rund um Grenoble - und noch weiter. Dann wurde die Landschaft irgendwie anders, hohe Bäume wurden rar, kleine Büsche und Sträucher drückten sich in den Vordergrund, es roch morastig, sumpfig, schwarze Stiere und weisse Pferde spickten die Felder dies- und jenseits der Strasse, überschwemmte Reisfelder links und rechts: die Camargue - eine Marschlandebene in der Provence, die von den Rhônearmen begrenzt wird.
Saintes-Marie-de-la-Mer ist ein beschauliches Fischerdorf und "la capitale camarguaise". Ein wirklich herziges Dorf mit einem besonderen Charme. Es ist zwar sehr touristisch, dennoch sucht man hier grosse Hotelkomplexe vergeblich. Die Strände sind weitläufig und wenn man wie wir sich auch mal abseits der Touristenströme bewegt, findet man durchaus idyllische, weitestgehend menschenleere Abschnitte im "Parc naturel régional de Camargue".
Nach zwei erholsamen Nächten auf dem örtlichen Campingplatz, ging unsere Reise bei 15 Grad, Nieselregen und mässigem Wind weiter. Was uns aber jetzt schon zum Schmunzeln bringt, ist das Leben auf dem Campingplatz. Wenn man genug früh seinen Stellplatz ergattert hat - mit oder ohne Zuweisung, ist es empfehlenswert es sich auf seinem Campingstuhl bequem zu machen und dem Treiben zu folgen. Das Auffinden der richtigen Nummer, das perfekte Platzieren des fahrbaren Untersatzes, die Ausrichtung des Schlafbereiches, die stattfindenden Konversationen (mehr oder weniger laut) und und und.
Wir verlassen das idyllische Saintes-Marie-de-la-Mer (welches übrigens sehr beliebt bei Schweizern mit ihren Hunden ist) in Richtung spanische Grenze.
Unspektakuläre Einreise nach Spanien
Grenzenlos reisen in Europa, das ist schon was richtiges Gutes. Kein Papierkram, keine Bürokratie. Einzig das EU-Schild irgendwo am Strassenrand oder über der Autobahn weist auf ein neues Land hin.
Landschaftlich veränderte sich nach der Grenze nicht viel, wettermässig aber schon. Hier sind die Ausläufer der Pyrenäen deutlich spürbar, das Thermometer kletterte in Windeseile gegen die 28 Grad, die Wolken verschwanden, die Sonne brachte uns hinter der Frontscheibe ins Schwitzen.
Es wurde karger in Katalonien, kleine Weinrebe, und vereinzelte Olivenhaine durchbrachen die sonst eher trostlose Landschaft. Ab und zu ragten kleine Dörfer und Burgen auf den Hügeln empor. Wir lassen Barcelona links liegen und fahren durch den Speckgürtel und den einhergehenden Industrieanlagen inklusive vielfältiger Gerüche, direkt Richtung Tarragona.
Spontan entschieden wir uns für einen Campingplatz, der möglichst nah am Meer liegt, denn am nächsten Tag wollten wir hauptsächlich am Strand (Platja de Sant Salvador) abhängen. So landeten wir schlussendlich in Coma-ruga und liessen den Tag gemütlich ausklingen.
Wilde Fahrt in die Provinz Murcia
Nun verlassen wir die Küste der Orangenblüte (Costa del Azahar), welche hier nicht zu den attraktivsten Abschnitten der spanischen Mittelmeerküste gehört und begeben uns auf eine abenteuerliche Fahrt in die Region Murcia mit einem Zwischenhalt in Peñíscola. Die Küste ist bis Valencia in der Tat nicht sonderlich hübsch. Industrie wechselt sich mit hoch überbauten Landstrichen ab und die Zivilisation rückt unaufhörlich weit ins Landesinnere hinein. Nach der Provinzgrenze Katalonien - Valencia wechselten die grossen Oliven- über in Orangenplantagen. Das war aber auch schon alles an Veränderung dies und jenseits der Autobahn.
Vor den Toren von Peñíscola gibt es riesige Artischockenfelder die üppig grün dastanden.
Die Altstadt des Küstenortes thront auf einem Felsklotz und enge Gassen schlängeln sich durch die dichten Häuserreihen zur Burg hinauf. Der Wind bläst stark, dementsprechend wild wedeln mir meine Haare um die Ohren, aber es ist angenehm warm.
Es war schon Nachmittag als wir wieder mit dem Camper unsere Fahrt fortsetzten und merkten das uns das Navi zielstrebig auf Valencia zusteuerte. Wir dachten schon, warum sollen wir links abzweigen... Da war es passiert und wir befanden uns in bis zu zehnspurigen Kreiseln, die mit Ampeln bestückt waren und uns teilweise keine Wahl liessen vor den grossen Linienbussen zu weichen. Da war gutes Navigieren und Flexibilität viel Wert. Von schnurgerade Alleen ging es immer wieder in die riesigen Kreisel mit den vielen Lichtsignalen. Nun, bei uns wird reklamiert und überlegt wie man in zweispurigen Kreiseln fährt und hier fliesst es einfach - wenn man weiss wie. Abenteuerlich und interessant war es allemal, aber da wir noch etwa drei Stunden Fahrtzeit hatten und der Tag sich langsam dem Ende zuneigte, war ich hinter dem Steuern, stellenweise nicht mehr so aufnahmefähig und für Navigationsspässe bereit. Zum guten Glück war an diesem Tag in der Provinz Valencia Feiertag, sonst hätten wir wohl zudem noch dem Berufsverkehr beiwohnen können.
Die Temperaturen stiegen auf über 30 Grad, dabei war es doch schon fast 18 Uhr. Der Wind rüttelte ebenfalls zünftig am Camper, so dass mehrmals der Seitenwind-Assistenz aufblinkte.
Dann nochmals ein kurzes Aufschrecken, da das Autonavi die neue A-33 Richtung Jumilla wohl noch nicht kannte, Google Maps allerdings schon. Uh meine Nerven, aber alles gut. Die Landschaft nun richtig schön, sanft hügelig, der Sonnenuntergang und die Wolkenformationen taten ihr übriges.
Gerade noch vor dem Eindunkeln erreichten wir unseren Stellplatz auf einem Parkplatz ausserhalb von Calasparra.
Calasparra und Umgebung
Die Nacht war mässig gut, zwar liess der starke Wind am späten Abend nach, aber es war heiss und kühlte sich sehr zäh ab. Neben uns gesellte sich noch eine spanische Familie. Der Parkplatz gehört zum Santuario Virgen de la Esperanza, eine aus alten Höhlen und direkt in den Felsen gebaute Kirche, und ein MUST SEE unseres Reiseführers aus der Ferne (Danke Andi für deine grossartige Unterstützung bei diesem Teil der Reise). Wenn man sich die Parkfläche insgesamt anschaut, kann man sich ausmalen wie es hier zu anderen Tages- oder Jahreszeiten zu und her geht. Es gibt Platz für ganz viele Autos und vor allem Busse. Ein solcher gesellte sich am Morgen zu uns und eine Horde Jugendlicher mit roten T-Shirts stieg aus. Es wurde kurz laut, bevor sie hinter der Kurve in Richtung Kirche verschwanden.
Die Kirche selbst sehr beeindruckend und die Gegend rund um den Rio Segura ebenfalls. Reisfelder entlang des Flusses, Orangen- und Olivenbäume, vereinzelte Gemüseanbauflächen.
Wir fuhren noch ins Hinterland von Calasparra, zur Almadenesschlucht. Die Strasse dorthin einfach nur wunderschön, wenn auch schmal und holprig. Offene Landschaft, karg, weisser Sand wechselte sich mit rotem ab, saftig grünen Nadelbäume durchzogen die Weite.
Yeguada Lugasa - Der Geburtsort von Faro
Ein aufregender Tag, der auch ein Teil dieser Reise "ausgelöst" hat.
Offen und freundlich – trotz sprachlicher Barriere. Unser Eindruck war das Luis, der spanische Züchter, voller Stolz auf Faraona blickt. Das mitgebrachte Fotobuch schaute er sich mehrmals an und hatte vor allem an den Winterbildern grosse Freude. Kein Wunder, die Jahresdurchschnittstemperatur liegt hier bei 20 Grad. Schnee kennt man hier nicht.
Luis führte uns über sein kleines, privates Gestüt mit aktuell 30 Pferden. An den meisten Toren sind Vorhängeschlösser montiert und nur der Chef scheint hier einen Schlüssel zu besitzen. Um so schöner fanden wir es, dass er uns gleich am Anfang in seine „heiligen" Hallen eingeladen und uns auch eine Dusche angeboten hat. Wir betrachteten die vielen Preise, Schleifen und Pokale, welche die Wände zierten genauso interessiert wie all die Bilder von seinen Zuchtstuten und -hengsten. Leider leben Faro‘s Eltern (Hecatea und Carioco) nicht mehr, aber ein Bild von ihnen thront mit vielen anderen an der Wand. Luis erzählt uns ein wenig von seinen Anfängen als Züchter vor 22 Jahren und das Faro‘s Mama die erste von vier Zuchtstuten war.
Wir durften einen Blick in den Stall werfen, wo er uns Faro’s Cousins präsentierte. Auf der anderen Seite befanden sich die Stuten mit ihren zwischen 5-7 Monate alten Fohlen, frech und vorwitzig kamen sie daher. Und nein, ich bin so gar nicht schwach geworden, irgendein kleines Wesen zu adoptieren – Zuckerbonus hin oder her.
Was ich sehr berührend finde – neben ganz vielen Momenten hier, ist die Begegnung mit einer Vollschwester von meiner Faraona. Der Kopf, das Gesicht, die Art und Weise wie sie dem Menschen gegenüber steht, der Ausdruck. Der einzige Unterschied, alle Verwandten von Faro, die Luis uns gezeigt hat, sind deutlich grösser und kräftiger. Riesenteile sag ich euch, nicht nur hoch, sondern auch breit.
Endlich konnten wir auch das „Rätsel" um das Brandzeichen lösen. Es stellt eine offenes Tor dar, weil er selbst früher Tore geschmiedet hat. Bei Faro erkennt man es je älter sie wird, umso weniger, aber auf ihrer siebenjährigen Schwester sieht man es noch sehr deutlich.
Dankbar, dass mir diese Möglichkeit gegeben wurde. DANKE Andi. Und trotzdem wir unterschiedliche Sprachen sprechen, doch auch irgendwie die gleiche, die mit ganz viel pferdigem Herzblut.
Für mich schliesst sich hier ein weiterer Kreis. Nicht nur Faraona’s Herkunft, sondern auch die von Sisko, Yasirah und vom Neuzugang Reyna sind für mich abschliessend nachvollziehbar. Ich kenne die Menschen, welche das erste Mal mit meinen Pferden in Berührung kamen, und das, liebe Freunde macht mich sehr glücklich. Nein, ich verdrücke keine Träne… Dankbarkeit erfüllt mein Herz. Still. Leise.
Lest in Südwärts - Auszeit mit dem Camper (Teil 2) von unserer zweiten Camperwoche weiter.